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Weniger Generationendenken, mehr Wertschätzung für Altersunterschiede

  • Autorenbild: Patrick Vestner
    Patrick Vestner
  • 21. März
  • 4 Min. Lesezeit

Belegschaften in westlichen Ländern werden immer diverser im Hinblick auf das Alter. Dies führt in Kombination mit der schnellen digitalen Transformation oftmals zu Generationendenken – oft kritisch und nicht selten undifferenziert. Und Denken führt zu Reden, und Reden zu Handeln. In der heutigen Gesellschaft und in den Medien spricht fast jeder über seine Erfahrungen mit Menschen aus anderen Generationen. Was wir und Organisationen oft ignorieren ist, dass dies negative Auswirkungen auf Kommunikation, Teamzusammenhalt und letztlich auf die Leistung hat. Selbst wenn Organisationen den 'Generationen-Gap' bewusst angehen möchten.


Wir hatten die Gelegenheit, dieses Thema mit BlueSky Thinking für ihren Podcast ‘Digestible Academia’, zu besprechen, der auf Apple Podcast, Spotify und Amazon Music auf Englisch verfügbar ist. Kerry und Chloë, mit denen ich im Podcast das Vergnügen hatte, haben zudem zwei Beiträge darüber veröffentlicht: Gen Z Vs Millennials – Is Thinking In Terms of Generations Problematic?  und How Can We Encourage Intergenerational Collaboration?. Nachfolgend ein kurzer (naja...) Abriss des Gesprächs.


Warum wir aufhören sollten, über Generationen zu sprechen: Zuerst müssen wir verstehen, woher 'Generationendenken' (d.h. Menschen, unterschiedlichen Alters vergleichen) kommt. Zwei Haupttheorien aus den Fünfziger- und Siebzigerjahren haben unser Verständnis geprägt. Die 'Generational Cohort Theory' (Mannheim, 1952) erklärt Unterschiede in Werten und Verhaltensweisen zwischen Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten geboren wurden und von historischen Ereignissen ihrer Zeit geprägt wurden. Die 'Social Identity Theory' (Tajfel & Turner, 1979) veranschaulicht, wie Menschen ihre Identität bilden, indem sie Teil einer Gruppe sind (oder eben nicht). Diese Theorien haben uns sicherlich geholfen, zu erkennen, dass Menschen unterschiedlich sind (in diesem Fall basierend darauf, zu welcher Generation jemand gehört). Nicht zwingend!


Es ist grundsätzlich gut, dass wir Werkzeuge zur Verfügung haben, welche die Personalführung vereinfachen (z. B. ältere Menschen haben eher körperliche Beeinträchtigungen, die mit dem Alter einhergehen). Genau diese Werkzeuge führen aber gleichzeitig zu Stereotypen, Vorurteilen und Ausgrenzung: so zum Beispiel hätten Babyboomer mehr Schwierigkeiten mit Technologie, oder die Generation X sei weniger bereit, sich am Arbeitsplatz zu verändern, oder die Generation Z sei faul. Warum ist das so? Eine soziale Identität kann sehr eng mit sozialer Kategorisierung verbunden sein. Wie in der 'Social Categorization Theory' (Tajfel & Turner, 2004) erklärt, teilen wir Menschen in Gruppen ein, die auf sichtbaren Merkmalen basieren. Sobald wir jemanden sehen, kategorisieren wir diese Person nach Geschlecht, Hautfarbe, Kleidung oder eben Alter. Unabhängig von ihrer wahren Individualität.


Nebst anderen Studien, gibt es dazu eine fundierte Meta-Analyse von Martin Schröder (2023). Zusammengefasst sind Generationen ein Mythos und keine messbare Tatsache. Traditionellerweise haben wir das Verständnis, dass es Generationen gibt; sprich dass man die Einstellungen der Menschen anhand ihres Geburtsjahres erklären kann. Ganz unabhängig davon, wie alt sie sind (das wäre kein Generationeneffekt, sondern ein Alters-Effekt) und wann man sie befragt (das wäre ebenfalls kein Generationeneffekt, sondern ein Perioden-Effekt). Wenn jedoch diese Alters- und Periodeneffekte berücksichtigt werden, bleiben kaum noch Generationeneffekte übrig. Man kann also die Einstellungen der Menschen durch ihr Alter erklären und man kann die Einstellungen der Menschen durch den Zeitpunkt erklären, zu dem sie befragt wurden. Aber man kann die Einstellungen der Menschen kaum anhand ihres Geburtsjahres als generationalen Kategorisierungsfaktor erklären. In dieser Hinsicht gibt es also keine Generationen. Für mehr Details schaut auf Martin's informativer Website vorbei.


Um es zu veranschaulichen, ein Beispiel. In westlichen Ländern wurde noch nie so viel Teilzeit gearbeitet. Das hat verschiedene Gründe (z.B. arbeiten sind mehr Frauen im Arbeitsmarkt als früher) aber die 'faule' Generation Z ist kein Grund. Ja, es stimmt dass junge Menschen bzgl. ihrer Work-Life Balance heute bewusstere Entscheide fällen. Es stimmt aber auch, dass noch nie so viel Arbeitnehmer:innen vor der Pension in einem Teilzeitpensum gearbeitet haben als heute. Das heisst was wir hier sehen, ist ein Periodeneffekt. Statt verschiedene Generationen zu vergleichen, sollten wir das Heute mit dem Gestern vergleichen.


Warum Altersunterschiede wertzuschätzen sind: Was wir bei einer 'generationalen Sichtweise' oft übersehen (oder zumindest schenkt der öffentlichen Diskurs dem wenig Aufmerksamkeit) ist, dass Altersdiversität – wie alle Arten von Diversität – erhebliche Vorteile haben kann. Ja, es ist uns bewusst, dass Diversität auch negative Aspekte mit sich bringt. Und dass wir uns als Gesellschaft und Arbeitgeber:innen in Bezug zu Diversität und Inklusion schwer tun, gute Lösungen zu finden. Hier möchten wir einige Herausforderungen beleuchten, die es wert sind besser zu verstehen, um einer altersdiversen Belegschaft gerecht zu werden.


  • Kommunikationsstile: Kommunikationsstile werden wahrscheinlich unterschiedlich sein. Einige bevorzugen formelle Kommunikation (z. B. E-Mails, Besprechungen), während andere eher auf Instant Messaging, kollaborative Plattformen oder persönliche Interaktionen setzen. Aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen mit digitalen Technologien im Laufe ihres Lebens kann von jüngeren Mitarbeitenden erwartet werden, dass sie mit den verschiedenen verfügbaren Kommunikationskanälen vertrauter sind. Aufgrund von motivationalen und kognitiven Unterschieden bevorzugen ältere Mitarbeitende tendenziell bedeutsame Interaktionen im Vergleich zu transaktionalen. Ein solches Verständnis kann in Bezug zur Kommunikation dann wichtig sein, wie altersgerechtes Feedback gegeben wird oder wie Meetings strukturiert werden.

  • Technologische Kompetenzlücken: Das gleiche gilt für technologische Fähigkeiten. Aus der Forschung wissen wir, dass die Erfahrung mit der Technologie wichtiger ist als das Alter des Nutzers. Mit anderen Worten, Erfahrung lässt Altersunterschiede verschwinden. Jüngere haben tendenziell mehr allgemeine Erfahrungen mit Technologie und sind 'mutiger' in der Nutzung. Folglich werden ältere Mitarbeitende wahrscheinlich mehr Schwierigkeiten haben, wenn ihnen die Erfahrung mit bestimmten digitalen Werkzeugen fehlt. Aber nicht per se weil sie älter sind.

  • Führungserwartung: Menschen unterschiedlichen Alters haben insgesamt ähnliche Bedürfnisse, die es zu erfüllen gibt (z. B. Zugehörigkeit, Kompetenzen, Autonomie). Führungsverhalten, das diese (und andere) Bedürfnisse unterstützt, ist unabhängig vom Alter wichtig. Mit anderen Worten, vieles, was für eine Altersgruppe passend ist (z. B. ein Arbeitsplatz, der Autonomie, Unterstützung durch Kollegen usw. ermöglicht), ist für viele Altersgruppen passend. Angesichts der motivationalen Unterschiede im Lebensverlauf können einige Mitarbeitende partizipative Führung erwarten, während andere eher top-down Ansätze bevorzugen. Aber... das ist auch unterschiedlich für neu gebildete Teams im Vergleich zu etablierten Teams, die bereits in ihrer Zusammenarbeit gefestigt sind. Unabhängig vom Alter.


Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie Altersunterschiede in Organisationen wertgeschätzt werden können, ohne in die generationalen Fallen zu tappen. Denn schon Aristoteles sagte: „Sie denken, sie wissen alles, und sind immer ziemlich sicher darüber“, wenn er von der jüngeren Generation sprach. Es gibt ähnliche Zitate aus jedem Jahrhundert, was auf eine humorvolle Weise zeigt, dass wir wahrscheinlich nicht das erste Mal in der Geschichte der Menschheit gewisse Schwierigkeiten haben, einander zu verstehen.



 
 
 

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